Praktikum in der 7-Seen-Werft

Auf die kleine Werft in Lychen, die 7-Seen-Werft von Urte Rätsch, bin ich über die Suche im Internet gestossen, weil ich nach einer kleinen Werft suchte, in der man ein Praktikum machen kann.  Weil ich nicht nur das Segeln entdeckt habe, sondern weil mich parallel dazu auch das Handwerk des Bootsbaues interessiert, wollte ich mir gerne den Herzenswunsch erfüllen, einen Monat unbezahlte Ferien zu nehmen und in eine Werft arbeiten zu gehen.

Selbstverständlich kann das Handwerk nicht in einem Monat erlernt werden, aber ich verspreche mir Verständnis der Konstruktionen, Umgang mit Werkzeug, Maschinen, Lackierungen und Schleiftechniken und so weiter, zu erlangen. 

Urte ist eine kompetente, exakte, verantwortungsvolle Lehrmeisterin. Vielen Dank liebe Urte, dass du mir diese 4 Wochen bei dir ermöglicht hast.

 

Es stehen momentan zwei, sogenannte Holz-Piraten (Segeljollentyp) Länge 5.00 m, Breite 1.60 m, Masthöhe 6.00 m, in der Werft. Der eine Pirat ist das Meisterstück von Urte Rätsch, es wird am Freitag, 6. Oktober 2023 an den Besitzer ausgehändigt. 

Der andere Pirat muss nur soweit instandgestellt werden, dass der Besitzer die Fertigstellung selbst zu Ende führen kann. Das heisst, es wurde im Vornherein abgemacht, welche Instandstellungsarbeiten von Urte gemacht werden sollen und welche der Besitzer selbst ausführt. 

In den folgenden Beiträgen werden jeweils Arbeiten des einen, wie auch des anderen Piraten gezeigt. Es kann also sein, dass keine logische Abfolge ersichtlich ist für den Blogleser. 

Ich wünsche viel Freude beim Mitverfolgen.

Esther

1. Woche - 22.09.2023 - 29.09.2023

Ausbau des Schwertkastens

Da die Spanten und die kleineren Zwischenspanten teilweise ersetzt werden müssen, muss zuerst das Mastbrett und der Schwertkasten ausgebaut werden. 

Die Schrauben des Schwertkastens müssen auf der Unterseite des Bootes gelöst werden, bzw. unter der Schutzlackierung gesucht und die Pfropfen zuerst ausgekratzt werden. Danach können sie ausgeschraubt werden. Die Erkenntnis nach dem Ausbau: Der Kiel muss ersetzt werden, weil der alte Kiel im Bereich des Schwertschlitzes morsch ist. 

Ausbau der Spanten und Hilfsspanten

Da die Spanten zum Teil nicht mehr in Ordnung sind, müssen sie ausgebaut und mit Neuen ersetzt werden. Nieten und Schrauben werden durchsägt. Die Spanten werden mittels Kuhfuss aus den Nieten herausgehoben. Die Nietstäbe, welche durch das Sägen nur zweigeteilt wurden, werden mit dem Durchschlag durch die Löcher nach unten geklopft und entfernt. Die verbleibenden Flächen der Schiffsplanken auf der Innenseite werden mit dem Lackschaber und danach mit der Schleifmaschine geschliffen. Das Holz wird wieder sehr schön. Die unterste Planke wollen wir ersetzen. Diese ist nicht mehr gut hinzubekommen. 

Die kleineren Zwischenspanten werden nach dem gleichen Prinzip ausgebaut. Diese werden jedoch erst ausgebaut, wenn die Hauptspanten wieder neu eingebaut sind, damit die Planken gehalten werden. 

Den Kiel ersetzen wir durch ein einen Neuen. 

2. Woche - 01.10.2023 - 06.10.2023

Planken auf der Innenseite schleifen 

Nachdem die neuen Hauptspanten (diese dienen als tragende Elemente) eingebracht sind, trennen wir die jeweils 3 Zwischenspanten in jedem Teilfeld heraus. Die darunter liegenden Planken müssen danach sauber abgekratzt und schön geschliffen werden. Für die Vorbereitung zum Schleifen, müssen wir die Planken mit dem Lackkratzer säubern. Danach kann mit dem Excenterschleifer grossflächig geschliffen werden. Das Ergebnis ist phänomenal. Die Planken werden wieder richtig schön. Die unterste Planke werden wir später entfernen, deshalb haben wir in diesem Bereich das Holz so gelassen wie es war.

Auf den gesäuberten, geschliffenen Planken, werden die Bereiche in denen die neuen Spanten zu liegen kommen, abgeklebt. Das Klebeband erleichtert danach das Schleifen und saubermachen, da erhärterter Epoxikleber sich schwer wieder entfernen lässt. 

Auf dem oberen Foto sehen wir auch das den neuen Kiel, welcher auf der Innenseite mit Eichenholz auf den noch teilweise intakten Kiel aufgebracht wurde.

Herstellung neuer Scheuerleisten

Die Scheuerleisten müssen neu hergestellt werden. Wir verwenden dazu Eichenholz. Die Leisten werden zuerst durch die Hobelmaschine auf das richtige Mass im Rechteck abgehobelt.

Mit der Fräsmaschine werden die rechteckigen Leisten zu halbrunden Leisten gefräst. Im Abstand von ca. 20 cm werden Schraubenlöcher gebohrt und für Senkschrauben die Schraubenkopflöcher vertieft. 

Anbringen der Scheuerleisten und Bohren der Pfropfen

Die Scheuerleisten werden mit einem SIKA-Weichkleber angebracht und angeschraubt. Wir haben die Enden der Scheuerleisten bewusst erst nach dem Verschrauben auf die richtige Länge gebracht. Das verlängerte Ende half beim justieren der Leiste sehr. 

Die schwarze Sika-Masse welche beim Befestigen herausgepresst wird, wird mit einem geschliffenen Holzspachtel abgezogen. 

Für die Schraublochversenkungen werden aus den gleichen Holzleisten, mit der Bohrmaschine Zapfen vorbereitet, welche zu einem späteren Zeitpunkt mit Epoxiharz in die Versenkungen eingeklebt werden. 

Im nachfolgenden Bild sehen wir die eingeklebten Pfropfen, welche mit dem Stecheisen flach abgestochen werden. 

 

 

Endlackierung verschiedener Teile des zweiten Piraten

Die Bodenbretter und die Baumstütze erhalten die letzte Schicht Lackierung. Es werden insgesamt 5 bis 9 Schichten Lackierung auf getragen. Die Teile werden immer wieder geschliffen und wieder lackiert. 

Die Werkstatt muss weitgehend staubfrei sein, damit Staubteile den noch feuchten Lack nicht verunreinigen. Deshalb haben wir am Abend alles weggeräumt und gründlich gewischt und staubgesaugt. Der noch vorhandene Staub aus der Luft soll sich über Nacht setzen können. 

Beschläge des zweiten Piraten putzen

Die Beschläge wurden Anfangs alle abmontiert und fein säuberlich nummeriert und angeschrieben. Beim nun fertiggestellten Piraten müssen alle Beschläge wieder richtig montiert werden. 

Die Curry-Klemmen werden mit einem Kunststoffputzöl eingerieben. Messingteile, Edelstahlteile, Travelerschienen, Umlenkrollen, Festhalter usw. müssen abgeschliffen und neu lackiert werden. In diesem Zuge wird auch das Schwert geschliffen und neu lackiert. (kein Foto vorhanden).

3. Woche - 07.10.2023 - 12.10.2023

Wir widmen uns wieder dem Boot Nummer 1 und haben dieses nun gedreht

Ab jetzt bearbeiten wir das Boot von der Unterseite her weiter. Die ganze alte Farbe und abblätternden Anstriche schleifen wir mit der Bandschleife ab. Zum Vorschein kommen die noch schönen, intakten Planken. Die unterste Planke entfernen wir im Bereich in dem sie morsch war. 

Aus einem Mahagonibrett werden zwei neue Plankenteile von 11mm Dicke zugeschnitten. 

Um die Planken wieder dicht zu bekommen, müssen die Fugen neu ausgeleistet werden. Damit man dies sauber machen kann, müssen die Fugen vorbereitet werden. Dies geschieht, indem man eine neue Nut einfräst und diese neue Nut muss ich beidseitig sauber nachschleifen. Dann werden Leisten zugeschnitten, welche genau in die Nuten passen. Diese Leisten können unterschiedlich dick sein, je nach vorbereiteter Nut.

Die Nuten werden mit Epoxiharz gefüllt. Urte macht dies wie ein Chirurg mit einer Spritze, weil man mit der angeschrägten Kanüle die Nutseiten gut "bestreichen" kann. Danach werden die Leisten eingepresst und bis das Harz getrocknet und fest geworden ist, werden die Leisten mit einem Tucker vorerst festgetackert. 

Sobald das Epoxi abgehärtet ist, werden die Klammern der Tackerung wieder rausgezogen und die Leisten werden jetzt bis auf die Planken schön abgehobelt. Enstanden ist eine neue, kompakte Aussenfläche, welche am Schluss mit der Bandschleife sauber geschliffen wird bevor man mit den neuen Anstrichen beginnen kann. 

 

Ausbesserung des Schwertschlitzes am Kiel

In der nachfolgenden Bildserie kann man sehen, wie wir den Schwertschlitz am Kiel, mit zwei neuen, passgenauen Eichenleisten ausbessern. Wir lassen die Schraubenlöcher bewusst stehen, damit wir den Schwertkasten danach wieder an den gleichen Befestigungen festmachen können. Auch dies erfordert wieder sehr genaues Arbeiten und zeigt auch hier, wieviel überhaupt machbar und noch "zu retten" ist. 

Dann wird alles vorbereitet damit man die zu ersetzende, neue Planke ebenfalls passgenau einsetzen kann. Alles muss genau plan abgehobelt werden. D.h. jede Spante muss genau gleich hoch sein, damit sie vollflächig mit der Planke in Verbindung kommen. 

Mit diesen Arbeiten schliesse ich mein Praktikum bei Urte ab. Es gibt noch einiges an diesem Piraten zu tun. Viel Schleifarbeit und Lackierungen, welche vom Eigner selbst zu Ende geführt werden.

Und das Highlight für Urte und auch für mich, war die Feier ihres Meisterstückes und die Übergabe an den Besitzer. 

Auch hierzu einige Bilder und Eindrücke

Nachdem die allerletzten Beschläge montiert worden sind, muss der "Sonnenkönig" zuerst mal aus der Werft gebracht werden. Mit Flaschenzügen und Gurten, kann das Boot hochgezogen werden und den Trailer darunter geschoben werden. 

 

Wir bringen den wunderschönen Piraten zum Einweihungsort. Dort laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Das Haus wird geputzt, das Essen wird vorbereitet, Getränke und Bier werden eingekauft, und das Grosse, am Tag zuvor grün eingefärbte Verhüllungstuch muss noch zusammengenäht werden. Nachdem ein Platzregen das ganze Boot ein erstes Mal "bespritzt" hat, müssen wir dieses wieder trocknen bevor wir es dann endgültig verhüllen bis die Stunde der Einweihung kommt. 

Dann kommen die ersten Gäste und die Feier kann beginnen. Urte wird von allen gefeiert. Mit Stolz erzählt sie ihren Werdegang bis hin zur Abgabe und Anerkennung des Meisterstückes. 

und so durfte der Besitzer seinen neuen Holzpiraten mitnehmen. Viel Glück und viele schöne Segeljahre !!

 

Mit diesem Schlussbild möchte ich hier den Bericht meines tollen Praktikums bei Urte beenden.

Tausend Dank für die so freundliche Aufnahme in deiner Werft, für die Aufnahme in deiner Familie und vielen Dank dir insbesondere für alles was du mir so geduldvoll beigebracht hast. Du bist die beste Lehrmeisterin die es gibt! Für mich war es eine der bereicherndsten Zeiten in meinem Leben. Danke!